Das Buch ist eine ernste Besinnung über den Menschengeist
und seine wahre Entwickelung. Da „alles Leben des Geistes Denken
ist, das Denken aber nur Existenz in der Sprache gewinnt;" so kann die Ent-
wickelung eines Menschen nur mit der Sprache beginnen und in ihrer rechten
Durchdringung sich fortsetzen und relativ vollenden. Das erste Stadium der
Entwickelung ist deshalb Sprechen. Alle folgenden freilich sind nichts Anderes;
das Denken eristirt nur im Sprechen. Mittelpunkt aller Einwirkung auf die
Entwickelung des Kindes ist und bleibt also der Sprachunterricht. Für diese
zwingenden Gedanken glüht der Verfasser und zeigt nun in dem theoretischen
Theile, wie aus dem angeführten Grundgedanken sich mit Nothwendigkeit die
drei Stadien des elementaren Sprachunterrichts ergeben: Sprechen, Schreiben,
Lesen. In dem praktischen Theile führt dann der Verfasser in sehr klarer
Weise seine Leser zu der Einsicht, wie im wirklichen Schulleben jene ange-
deuteten Stadien zu durchmessen sind. Dabei wird überall gezeigt, daß der
(wirkliche) wechselseitige Unterricht erst das rechte Leben in unsere Volksschule
bringe. An Lesern wird's dem Buche nicht fehlen. Möchten denn nur die
Lehrer massenweise Hand anlegen, daß die kerngesunde Idee desselben unserm
Elementarunterrichte recht bald einen wahrhaft entwickelnden Charakter ver-
leihen könnte.
Ferner sagt ein Referent im Schulfreund 1834, I. Heft, Pag. 88:
Diese drei höchst interessanten Schriften bezeichnen den Weg, auf
welchem der Verfasser in vieljähriger Praris und in verschiedenen Schulen „das
Ziel alles Elementar-Unterrichts, eigentliche U n te rri ch t s be fä h i g u ng ,
durch die 3 Stadien des Sprechens, Schreibens und Lesens zu er-
reichen gesucht hat." Nicht das beliebte frühzeitige Lesenkönnen, das unsere
Unzahl von Fibeln anstrebt, also auch nicht Lesenlehren durch Sprechen und
Schreiben ist nach Wangcmann der Zweck des ersten Unterrichts, — so n -
dern den Zögling in den Besitz der Schriftsprache zu setzen.
„Und das Buch (die Anweisung) weist ferner nach, indem es das Verhält-
niß des Sprechens, Schreibens und Lesens zur Sprache darlegt, daß
dieses die Mittel sind zur Erreichung jenes Zweckes, und daß dieses Ziel
nur vollkommen erreicht werden kann, wenn der erste Sprachunterricht durch
die 3 Stadien des Sprechens, Schreibens und Lesens geführt wird." Somit
ist das Hülssbuch als „der Träger des gesammten elementarischen
Sprachunterrichts" anzusehen. „Der Lehrer findet mithin im vorlie-
genden Buche nicht nur, wie der Schüler auf naturgemäßein Wege zum
Sprechen, Schreiben und Lesen gelangen kann, sondern er erhält in demselben
die Anweisung, wie der Sprachunterricht überhaupt in der Unter - und Mittel-
klasse zu ertheilen ist. „ So macht uns der Verfasser selbst mit dem Zweck
seiner Schriften bekannt."
Die Methode des Verfassers ist sicher die naturgemäßefte, da sie die Ge-
schichte der Entwickelung des Menschen zur Basis und zum Vorbilde hat.
Sie verlangt vom Lehrer einmal klare Einsicht in das Wesen des Elementar-
unterrichts und in das Verhältniß, in dem die Unterrichtsgegenstände zu ein-
ander stehen, dann aber auch einen kräftigen Willen, Muth, den gewohnten
Weg mit dem besseren zu vertauschen und Vorurtheilen kaltblütig entgegen zu
treten, endlich Ausdauer, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten. Die
lohnendsten Früchte werden alsdann aber auch nicht ausbleiben.
Die Verlagshandlung hat die Preise der Hülfsbücher ungemein niedrig
gestellt, um die Einführung derselben in Schulen zu erleichtern.
Lehrern, welche das Hülfsbuch behufs Einführung in ihren Schulen näher
einsehen wollen, wird von Seiten der Verlagshandlung gern ein Eremplar zur
nähern Durchsicht überlassen, und wollen sie sich durch die ihnen zunächst ge-
legene Buchhandlung an dieselbe wenden.
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Iv
Verhältnisse. Reales und Ideales — das Sinnliche und
Geistige müssen darum in demselben gleiche Berücksichtigung
finden, keins darf auf Unkosten des andern bevorzugt werden.
Der Gesammtgeist aber, der das ganze Sprach-Lese-
buch tragen und durchwehen muß, kann kein anderer sein,
als der Geist des Christenthums, wenn es den Geist ver-
anschaulichen soll, der die Besten unserer Nation beseelte
und beseligte.
Doch nicht allein den Inhalt, sondern auch die Form
hat das Lesebuch zu berücksichtigen, wenn es in Wahrheit
Sprachbuch sein will, und zwar nicht blos die Form für
den einzelnen Gedanken, sondern auch für mehrere zu
einem Ganzen sich einigende. Darum ist bei der
Zusammenstellung dieses Buches stets darauf Bedacht ge-
nommen, daß die verschiedensten Darstellungsarten, von der
einfachsten bis zur mehr künstlicheren, in jeder Abtheilung
durch Lesestücke vertreten wurden. Der Schüler soll daran
die nöthigen Vorbilder haben für die Darstellung eigner Ge-
danken nach den verschiedenen Richtungen menschlichen Den-
kens, um sich an ihnen zur Selbständigkeit heranzubilden.
Der letzte Abschnitt bringt eine Zusammenstellung dqx
verschiedenen Sprach formen. Sie sollen hier nicht mehr
als bloßes Anschauungsmittel dienen, wie auf den unteren
Stufen, sondern durch vergleichende Betrachtung derselben
soll der Schüler zur klaren Erkenntniß der Sprach-
gesetze geführt werden, die diese und keine andere Form
fordern für das der betrachteten Form zu Grunde liegende
Begriffs- oder Gedankenverhaltniß.
Möchte es gelungen sein, den gestellten Anforderungen
an ein Lese- und Sprachbuch in der Ausführung zu
genügen, um dadurch den Lehrern ein Mittel zu bieten,
welches die Schwierigkeiten des Sprachunterrichts vermindern
und überwinden Hilst, und somit auf den gesummten Schul-
unterricht einen segensreichen Einstuß ausüben muß.
Eisleben, den 24. Juni 1854.
Der Verfasser
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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3
doch immer näher tobt der Feind, kein Retter ist, der da erscheint, nur
Friedrich will noch nicht verzagen und treibt zu immer schnellerm Jagen.
Weh! da erwacht das schwache Kind, und, hungrig, wie die Klei-
nen nach einem sanften Schlafe sind, beginnt es leis zu weinen. Und
Friedrich, schnell gewendet, spricht: „Sagt, was begehrt der kleine
Wicht?" Die Amme spricht: „Es will mich dünken, als wolle euer
Söhnlein trinken."
„Wohl! galt es all mein Hab und Gut, galt es Thüringens
Krone," ruft Landgraf Friedrich wohlgemuth, „gebt Labung meinem
Sohne!" Und eilig zügelt er sein Roß, zieht den bewährten Degen
bloß, die Lanze legt er in die Seite und rüstet sich zum ernsten Streite.
Da naht un Flug der Reiter Schaar, doch Friedrich beut die
Spitze, er schützt sein Kind vor der Gefahr, nichts frommt des Feindes
Hitze. In Friedrich's wackrer Schwertes-Hut ruht sicher es und wohl-
gemuth, und unter bloßer Klingen Blinken reicht ihm die Pflegerin
zu trinken.
Als das der Feinde Feldherr schaut, hat Rührung ihn durchdrungen:
„Halt ein! halt ein!" gebeut er laut, „laßt ab, ihr wackern Jungen!"
Und zu dem Grafen sprengt er hin, reicht ihm die Hand mit Freundes-
sinn: „Ein Ehrenmann und Ritter ficht mit einem solchen Vater nicht!"
Und schleunig reitet er zurück nut den erstaunten Seinen, der Graf,
mit frohem Dankesblick, läßt laufen seinen Kleinen. Nicht störet ihn der
Feinde Schwarm, bis er der Gattin in den Arm, die schon gezittert für
sein Leben, das theure Kind zurückgegeben. Bruno Lindner.
b) Von den Kindern.
4. Kindesliebe.
Ein preussischer Offizier, der sehr reich und aus vornehmer
Familie war, hielt sich eine Zeit lang als Werber zu Ulm in
Schwaben auf. Endlich bekam er Befehl, zu seinem Regimenté
zurückzukehren, und machte sich reisefertig.
Am Abende vor seiner Abreise meldete sich bei ihm ein junger
Mann, um sich anwerben zu lassen. Er war sehr schön gewachsen,
schien wohlerzogen und brav; aber als er vor den Offizier trat,
zitterte er an allen Gliedern. Der Offizier schrieb dies der jugend-
lichen Furchtsamkeit zu und fragte, was er besorge. „Ich fürchte,
dass Sie mich abweisen,“ versetzte der junge Mensch; und indem
er dieses sagte, rollte eine Thräne über seine Wangen. „Nicht
doch,“ antwortete der Offizier, „Sie sind mir vielmehr ausser-
ordentlich willkommen. Wie konnten Sie so etwas fürchten ?“
„Weil Ihnen das Handgeld, welches ich fordern muss, ver-
muthlich zu hoch kommen wird.“ „Wie viel verlangen Sie denn?“
„Eine dringende Nothwendigkeit zwingt mich, hundert Gulden zu
fordern, und ich bin der unglücklichste Mensch auf der Welt,
wenn Sie Sich weigern, mir so viel zu geben.“ „Hundert Gulden
1 * ,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Thüringens Friedrich_wohlgemuth Friedrich Friedrich Friedrich Bruno_Lindner
59
Die hohe Temperatur des Blutes (32 — 35° R.), die rasche
Respiration, die schlechte Wärmeleitung in den Federn, das Alles füllt
ihren Körper beständig mit so warmer und dadurch so leichter Lust, daß
derselbe einem Luftballon recht* gut zu vergleichen ist. Die stärkern
Knochen - und Muskelpartien finden sich unten an der Brust, damit das
lebendige Luftschiff auch seinen Ballast hat, um von den starken Strömen
des Windes nicht umgeschlagen zu werden. Zu dem Allen aber kommt
noch die Hauptsache, der Flügel, dessen einfache, aber sinnige, zweck-
mäßige Einrichtung gewiß von Vielen noch nicht beachtet ist. Groß
find die Schwingen der Storchflügel, breit ihre Fabnen, eine große
muldenförmige Fläche stellen sie dar, wenn Fahne an Fahne sich legt.
Wie aber diese breiten, schwachen Fahnen zu einer festen, zusammen-
hängenden und darnach wieder zu einer rinnenartig getheilten Fläche zu-
sammengestellt werden können, wodurch nur der Flug möglich wird, das
soll uns noch der Storchflügel lehren, und unsere Einsicht muß uns er-
kennen lassen, daß Gott auch im Kleinen groß ist. Ist der Flügel in
Ruhe, so liegt er auf einem kleinen Raume doppelt taschenmesserartig
dicht an dem Leibe und hält diesen warm; dient er aber der Bewegung,
so breitet er sich seitwärts fächerartig aus, und zwar so, daß jede innere
längere Fahne der einzelnen Schwinge oder Schwungfeder mit einem
schmalen Rande unter der äußern kürzern und daher stärkern Fahne der
vorhergehenden Schwinge wie unter einer Leiste geschoben bleibt. Da
ist nun die fest zusammenhängende Fläche hergestellt, die vollständig zu-
sammen bleiben muß, wenn der Flügelschlag nach unten geführt wird,
um die Luft zu verdichten, — die sich aber rinnenartig öffnet, sobald
der Flügelschlag nach oben geht, um die obere Luft hindurchzulassen.
Auch das Strecken der langen Beine nach hinten ist nicht ohne
Grund; sie sollen bei dem kurzen Körper und dem langen Halse das
Gleichgewicht erhalten und bei dem kurzen Schwänze das Steuer verstärken.
So zur weiten Reise zweckmäßig zugerichtet und ausgerüstet, kann
der Storch die Reise sicher unternehmen. Hohe Gebirgsketten werden
wie Klippen umschifft und die tiefsten Einschnitte ausgewählt; eben so
die großen Breiten der Meere vermieden und die schmälsten Striche aus-
gesucht, wo überdies Inselgruppen erwünschte Ruhestätten darbieten.
Ueber Italien, Sicilien und Malta geht es nach Tunis und endlich
nach Aegypten, wo der gütige Erhalter alles dessen, was lebet, auch
den Storch immer wieder seine vollen Fleischtöpfe vorfinden läßt.
Neuling.
13. Die Vögel unter dem Himmel.
Die ihr zaget, die ibr fraget: In den Lüften, auf den Zweigen
Leib, was essen wir? Und in Feld und Wald,
Die ihr klaget und euch plaget: Wenn die düstern Menschen schweigen,
Herz, was trinken wir? Lauter Jubel schallt.
Die am Abend, wie am Morgen Und in aller Welten Zonen,
Ihr euch quält mit leeren Sorgen — Wo die muntern Vögel wohnen,
Nehmt der freien Vögel Schaar Rust's: Herr Gott, dich loben wir!
Unter Gottes Himmel wahr. Tönt's: Herr Gott, wir danken dir!
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose]]
Extrahierte Ortsnamen: Italien Sicilien Malta Tunis Gottes
0
Verdienstorden auf der Brust, rückte er nach Beendigung des siebenjäh-
rigen Krieges in Parchim ein. Die Eltern waren von ihrem Dörfchen
nach der Stadt gekommen, um ihren Sohn nach Jahren wiederzusehen,
und erwarteten ihn auf dem Markte. Als er sie erkannte, sprang er
rasch vom Pferde und umarmte sie unter Freudenthränen. Bald daraus
mußten sie zu ihm ziehen und aßen allezeit mit an seinem Tische, auch
wenn er vornehme Gäste hatte.
Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einem Ritt-
meister zu Tische säßen. „Wie, sollte ich nicht die ersten Wohlthäter
meines Lebens dankbar achten?^ war seine Antwort; „ehe ich des Kö-
nigs Rittmeister wurde, war ich ihr Kind." — Der brave General
von Ziethen hörte von diesem Vorfalle und bat sich selbst nach einiger
Zeit mit mehreren Vornehmen bei dem Rittmeister zu Gaste. Die Eltern
des Letzteren wünschten dieses Mal selbst, nicht am Tische zu erscheinen,
weil sie sich verlegen fühlen würden. Als man sich setzen wollte, fragte
der General: „Aber, Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? Ich denke,
sie essen mit Ihnen an einem Tische." Der Rittmeister lächelte und
wußte nicht sogleich zu antworten. Da stand Ziethen auf und holte
die Eltern selbst herbei: sie mußten sich rechts und links an seine Seite
setzen, und er unterhielt sich mit ihnen auf's freundlichste. Als man
anfing, Gesundheiten auszubringen, nahm er sein Glas, stand aus und
sprach: „Meine Herren, es gilt dem Wohlergehen dieser braven Eltern
eines verdienstvollen Sohnes, der es beweist, daß ein dankbarer Sohn
mehr werth ist, als ein hochmüthiger Rittmeister!"
Später fand der General Gelegenheit, dem Könige von der kind-
lichen Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern erwies,
und Friedrich Ii. freute sich sehr darüber. Als Kurzhagen einst nach
Berlin kam, wurde er zur königlichen Tafel gezogen. „Hör' Er, Ritt-
meister," fragte der König, um seine Gesinnung zu erforschen, „von
welchem Hause stammt Er denn eigentlich ? Wer find Seine Eltern ? "
„ Ew. Majestät," antwortete Kurzhagen ohne Verlegenheit, „ich stamme
aus einer Bauernhütte, und meine Eltern sind Bauersleute, mit denen
ich das Glück theile, was ich Ew. Majestät verdanke."
„So ist's recht," sagte der König erfreut; „wer seine Eltern achtet,
der ist ein ehrenwerther Mann, wer sie geringschätzt, verdient nicht ge-
boren zu sein." — Ephes. 6, 2. Ehre Vater und Mutter, das ist das
erste Gebot, das Verheißung hat. Pustkuchen-Glanzow.
6. Kinder genug, aber —
Es ist recht und wohl gesagt von alten, weisen Leuten: Gott. den
Eltern und den Lehrern kann man nimmer genugsam danken, noch ver-
gelten. Leider wird aber gar oft erfüllt das gemeine Sprüchwort,
daß ein Vater leichter kann sechs Kinder ernähren, denn sechs Kinder
einen Vater. Man sagt ein Exempel von einem Vater, der übergab
seinen Kindern alle seine Güter, Haus, Hos, Aecker und alle Bereit-
schaft, versah sich dessen zu seinen Kindern, sie würden ihn ernähren.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Parchim Berlin Pustkuchen-Glanzow
62
lieben den Wald, besonders niedriges Gehölz, und kommen nur vor-
sichtig heraus, um auf dem Felde zu grasen. Sumpfige Gegenden ge-
fallen ihnen so wenig, als steile Berge, heiße Länder so wenig, als
ganz kalte. Deshalb findet sich das Reh auch vorzugsweise in Deutsch-
land, und seine List und Schnelligkeit haben es bisher vor Ausrottung
bewahrt. Doch schießen ordentliche Jäger auch nicht leicht eine Rehkuh,
besonders nicht zu der Zeit, wo sie Junge hat, sondern nur Böcke oder
junge Thiere. In manchen Gegenden aber locken die Wilddiebe durch
Locktöne alle Arten von Rehen an sich und schießen sie ohne Unterschied
nieder. Die Bauern sind darüber freilich nicht sehr verdrießlich, weil
die Rehe Klee, Rüben u. dgl. von den Aeckern fressen, auch wohl Obst-
bäumchen verderben. Auch in den Wäldern, besonders an jungem
Lärchen, thun sie Schaden. Allein es wäre doch auch traurig, wenn.
man alle Thiere, welche einmal mit dem Menschen eine Mahlzeit halten
wollen, sogleich vertilgen wollte! Die Welt ist ja nicht blos unsert-
willen geschaffen worden. Was aber die Rehe betrifft, so gewähren sie
auch wieder Vortheil durch ihr äußerst zartes Fleisch, durch ihre Haut,
woraus Handschuhe, und durch ihr behaartes Fell, woraus Fußteppiche
verfertigt werden! Auch das Gehörn wird zu Messerstielen, Pfeifen-
röhren u. dgl. verarbeitet. Der Schaden, welchen die Rehe thun, ist
auch dadurch weniger beträchtlich, weil sie nur familienweise beisammen
leben, nicht in Rudeln, wie die Hirsche. Der Bock nimmt sich näm-
lich, gegen die Gewohnheit anderer Wiederkäuer, seiner 2 Jungen an,
und ist beim Austreten aus dem Walde der vorderste, beim Flüchten
der hinterste; auch die mütterliche Zärtlichkeit der Kuh ist musterhaft.
Durch dieses Leben in Familien werden auch die Kämpfe unter den
Männchen vermieden; wenn jedoch die Jungen 8 bis 9 Monate alt
sind, so treibt sie der Vater von sich, damit sie ihren eigenen Haus-
halt anfangen. Das Alter der Rehe schätzt man auf 16 Jahre.
Curtmann..
18. ver Ilir8ch im Hildgarteii.
Wie schön ist hier das Waldgehege,
Die hohen Tannen, der grüne Plan !
Das kann euch, Hirschen, wohl behagen,
Und doch sieht man es euch nicht an.
Man giebt euch Heu dort in der Krippe,
Im Winter selbst ein warmes Haus ;
Bequem könnt ihr spatzieren gehen,
Und doch seht ihr so traurig aus!
„Was soll uns das Haus und die Krippe voll Heu !
„ Wir sind ja gefangen , die Lust ist vorbei.
„Wie setzten wir sonst durch Feld und Gestrüpp,
„Durch den brausenden Strom, über Stein und Gekhpp .
„ Oft warfen dem Tod wir entgegen die Brust;
„Jetzt gehn wir spatzieren. — Vorbei ist die Lust!“
Reinick.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
7
verklagen. Seht, da habe ich vor mehreren Jahren mein Bischen Hab'
und Gut meinen sechs Sehnen abgetreten, um meine alten Tage in Ruhe
zu verleben. Der älteste bekam die Grundstücke, Haus und Hof, Aecker
und Wiesen; er verglich sich mit seinen Brüdern und versprach, mich
bis an meinen Tod zu ernähren und zu verpflegen. Aber das will er
nun nicht mehr thun, und bei meinen andern Söhnen finde ich auch
keine Hülfe. Darum will ich mich mit einer Klage an die hochfürstliche
Regierung wenden/'
„Aber, sagt mir doch," fragte der Thorschreiber, „wie alt seid
ihr denn eigentlich?" — „Großer Gott," entgegnete der Bauer, „ich
bin nun 73 Jahr alt." — „ Nun," sagte der vorwitzige Thorschreiber,
„da kann ich euch den Bescheid selbst geben, und ihr braucht euch nicht
erst an die Regierung zu wenden. Ihr wißt ja, daß in der heiligen
Schrift steht: Unser Leben währet siebenzig Jahr. Da habt
ihr schon drei Jahre zu viel gelebt!"
Der Alte sah den Thorschreiber erschrocken an: „Ja wenn's so
ist, so thue ich wohl am besten, wenn ich umkehre. Unser Herr Gott
wird mich ja bald zu sich nehmen!" sagte er endlich wehmüthig, und
setzte sich auf einen Stein vor'm Thore, um auszuruhen.
Den Greis hat unser Herr Gott zu sich genommen ; auf dem Steine
aber am Thore sitzt alle Sonntage der älteste Sohn und bettelt.
O. Schulz. -
8. Brüderliche Liebe.
Durch schwere Erfahrungen von der Unzuverlässigkeit und
dem bösen Sinne der Menschen war der Kaiser Albrecht dahin
geltracht, dass er die Menschen hasste, düster in ^ich gekehrt in
seiner Hofburg zu Wien sich einschloss und Niemanden vor sich
lassen wollte. Nur ein grosser Hund, Packan geheissen, war
ihm wegen seiner Treue lieb geblieben, und er sagte es Denen,
mit welchen er durchaus umgehen musste, offen, dass ihm die An-
hänglichkeit dieses Thieres allein aufrichtig scheine. Es war, als
ob der Hund diesen Vorzug anerkenne. Vor dem Zimmer des
Kaisers gelagert, liess er keinen Fremden in dasselbe hinein, und
wer es dennoch wagen wollte, den knurrte er grimmig an und
wies ihm die scharfen Zähne, vor denen Jeder gern zurückwich.
Eines Tages kam auch der Herzog Leupold, der Sohn des
Kaisers, seinen Vater zu besuchen. Da trat ihm Packan, der ihn
kannte, liebkosend entgegen, wedelte mit dem Schwänze und gab
seine Freude auf mancherlei Weise kund. Herzog Leupold freute
sich darüber und schmeichelte ihm wieder. Dennoch gab es der
Hund nicht-zu, dass der Herzog sich dem Zimmer nahte, und
hielt ihn, fest an dem Wamse mit seinen Zähnen gepackt, zurück.
Der Herzog, ein junger starker Mann, wehrt ihn ab und will mit
Gewalt zu der Thüre, da fährt, Alles vergessend, der Hund empor
und fasst den Prinzen am Kragen fest. In der Ueberraschung und
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Schulz Albrecht Albrecht Leupold Leupold
64
ein kleines Raubthier, das andere Thiere frisst. Das merkt ihr
auch, wenn ihr einem getödteten Maulwurf den Bauch aufschneidet
und in den Magen schaut. Denn was er frisst, muss er im Magen
haben, und was er im Magen hat, muss er gefressen haben. Nun
werdet ihr, wenn ihr die Drohe machen wollt, nie Wurzelfasern
oder so etwas in dem Magen des Maulwurfs linden, aber immer
die Baute von Engerlingen , Regenwiirmern und anderem Ungeziefer,
das unter der Erde lebt.
Wenn ihr also den Maulwurf recht fleissig verfolgt und mit
Stumpf und Stiel vertilgen wollt, so thut ihr euch seihst den
grössten Schaden und den Engerlingen den grössten Gefallen. Da
können sie alsdann ohne Gefahr eure Wiesen und Felder verwüsten,
wachsen und gedeihen, und im Frühjahr kommt alsdann der Mai-
käfer, frisst euch die Bäume kahl wie Besenreis und bringt euch
zur Vergeltung auch des Kukuks Dank und Lohn. Hebel.
20. Die Säugethiere.
Der Vogel fliegt hoch in den Lüsten, hüpft leicht von einem Zweige
znm andern, läßt seinen vielstimmigen, ausdrucksvollen Gesang in der
Luft und in den Zweigen ertönen, während viele Säugethiere langsam
und mühsam am Boden schleichen, alle fast auf dem Erdboden sich zu
bewegen bestimmt sind, nur wenige, aber höchst unvollkommen, den
Flug der Vögel durch Flattern nachahmen; keines derselben läßt einen
melodischen Gesang ertönen; ihre Stimme ist meist ein eintöniges, oft
auch ein mißtöniges Geschrei ohne Melodie und Rhythmus. Sie zeigen
weder die Mannigfaltigkeit, noch die Pracht der Farben, welche die
Vögel in ihrem Gefieder uns entgegentragen.
So könnte die Klasse der Säugethiere dem obenhin betrachtenden
und nach dem Aeußern nur urtheilenden Menschen in ihrer Lebensent-
wicklung unvollkommener erscheinen, als die Klasse der leichtbeschwingten
Vögel. In der uns umgebenden Welt ist aber nicht immer das äußer-
lich beglücktere und reich geschmückte Wesen auch das vollkommnere, denn
gerade das reichste, innere Leben stellt sich uns öfters unter der äußern
Hülle der Armuth dar. Nicht das Gefieder, nicht die Stimme, nicht
die leichte und freie Bewegung in den Lüsten sind es, welche die größere
Vollkommenheit der Thiere bestimmen; sie sind schöne, liebliche Gaben,
aber nicht das Maß der Vollkommenheit.
Bei den Säugethieren aber finden wir die Sinneswerkzeuge in
größerer Vollkommenheit, als bei den Vögeln: sie nähern sich schon
mehr dem Bau derselben Organe am menschlichen Körper. Der Kopf
der Säugethiere trägt schon alle 4 Sinneswerkzeuge vollkommner an
sich, wird dadurch dem Menschenkopfe ähnlicher; sein Antlitz ist auch
durch die freiere und leichtere Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln und
der Augen eines größeren Ausdrucks fähig. Seine Jungen bringt das
Säugethier lebend zur Welt, nährt dieselben mit seiner Milch und
zeigt für sie eine größere, aufopfernde Liebe. Das Säugethier schließt
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
65
sich am meisten an den Menschen an, ist sein Gefährte und sein Ar-
heitsgehülfe geworden. Denke an Hund, Rindvieh, Schaf und Pferd.
Dies aber ist nur durch eine größere innere, durch eine größere geistige
Entwicklung möglich; darauf deutet auch ihr weit mehr ausgebildetes
Gehirn hin.
Oken gründet seine Eintheilung der Thiere in Stufen und Klassen
vorzüglich auf die Entwicklung der Sinnesorgane. Hiernach unter-
scheidet er 5 Thierstufen. — Die Sinnesorgane bei den niederen
Thieren (den Schleim- und Gliederthieren) beschränken sich fast aus-
schließlich auf den Gefühlssinn, obwohl man ihnen nicht absprechen
kann, daß sie auch Geschmack, manche Geruch und Gehör und viele Ge-
sicht haben, aber unvollkommen und schwach. Daher das dümmliche
Wesen der niedern Thiere, welches aussieht, als wenn sie immer im
Schlafe handelten, wie die Schlafwandler.
Bei den Fischen, sowie bei allen höheren Thieren, tritt der
Gefüblssinn, besonders der Haut, im Vergleich der niedern Thiere sehr
zurück, ohne Zweifel, weil die Bewegung in den Gliedern, deren Zahl
nie höher als 4 ist, vorherrschend wird; dagegen zeigt ihre Gefräßig-
keit hinlänglich die starken Aeußerungen des Geschmacksinnes. Der
geistige Charakter dieser Thiere ist Gleichgültigkeit, Freßlust, was wohl
mit dem Geschmacksinn übereinstimmt. — Als Repräsentanten der dritten
Stufe nennt er die Amphibien, deren geistiger Charakter Lauren und
Falschheit sei, was sehr wohl mit dem Geruchssinne übereinstimme. —
Auf die vierte Stufe kommen die Vögel; ihr geistiger Charakter sei
Beweglichkeit, Fröhlichkeit und Furchtsamkeit, was sehr wohl mit der
Ratur des Gehörs übereinkomme.
An die Spitze des Thierreichs stellt er aber die Säugethiere,
das vollkommnere Gesicht — (denn obwohl das Auge des Vogels
scharfsichtiger ist, als das des Säugethiers, so kann es sich doch nicht
selbstständig bewegen und nicht vorwärts schauen, und sieht der Vogel
denselben Gegenstand nur immer mit einem Auge;) — darum also stellt
er die Säugethiere an die Spitze, und weil sie unter allen Thieren
die mannigfaltigsten Fähigkeiten, die zartesten Empfindungen und die
verschiedenartigsten Bewegungen zeigen und dieser Verein aller Fähig-
keiten gleichsam berechnet zu sein scheint, eine vollkommnere Intelligenz
zu erzeugen, die weniger Sklav des Instinkts, reicher an Hülfsquellen,
auch empfänglicher für Vervollkommnung ist. Scheitlin.
3. Natur- und Landschaftsbilder.
21. Das Buch der Natur.
Ein großes Buch ist aufgestellt, Und fragst Du, wer dies Buch verwahrt.
Kein schonres giebts auf weiter Welt! Das so viel Wunder offenbart?
Mit Bildern ist es ausgeschmückt, O, geh hinaus in Feld und Flur!
Die herrlicher man nie erblickt. Das Wunderbuch, es heißt Natur!
Und überalk liest man erfreut *
Bon Gottes Lieb und Freundlichkeit. Agnes Franz.
Wangemann, Hülfsbuch. Iii. Abth. g
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22. Cine Abendscene im Walde.
Der Regen verzieht, der Wald schüttelt die lauen Tropfen aus
dem Haupte, und von der Haide steigt's erfrischend und würzig in die
Abendluft. In allen Schlupfwinkeln regen sich Flügel und Füße. Die
Mücken beginnen ihre Tänze, die Ameisen kriechen hervor, ihre ver-
fchwemmten Straßen wieder herzustellen, der Fink schmettert aus dem
Buchenwipsel herab, der Hase schießt Kapriolen, und auä, der Fuchs
verspürt ein heimliches Rühren. Dort lauscht er zwischen den Wurzeln
einer alten Eiche. Er „windet." Alles ist sicher, die ganze Natur
wiegt sich frühlingstrunken in dem erfrischten Element. Mit einem
Satze ist Reineke vor der Thür. Jetzt könnt ihr ihn deutlich sehen.
Wie er dasteht! so vornehm-lässig! so voll Bewußtsein! Er scheint
den Abend in süßem Nichtsthun verträumen zu wollen. Inzwischen
kommen ein paar junge Füchslein neben ihm zum Vorschein. Klug-
forschend äugeln sie umher, legen sich in die Sonne und beginnen aller-
hand Kurzweil.' Das jüngste Söhnchen ist noch etwas täppisch. Es
sängt Grashüpfer und Käser, zerzaust ihnen die Flügel, läßt sie zap-
peln, schnäuselt daran umher, wirft sie weg, schlägt dann und wann
einen linkischen Purzelbaum. Der Alte sieht eben nicht auf ihn. Dessen
Blicke sind aus die beiden anderen hoffnungsvollen Buben gerichtet, in
denen das väterliche Talent sich mit sichtbarem Wohlgefallen wiedererkennt.
Sie haben das leisehorchende Mäuslein erhorcht und im Wettsprung das
flüchtende gefangen. Mit muthwilliger Lust werfen sie es der eine dem
anderen zu, kneipen es hier, kneipen es da, bis sie des Spielzeuges
satt es dem jüngsten überlassen. Nun gilt's ein Nest zu spüren, eine
Grasmücke zu beschleichen, den schlüpfrigen Frosch zu packen, oder sie
durchstöbern auch wohl den Palast eines Erdwespenstammes; denn wie
lecker sie auch sind, so will ihre Zunge'doch Alles erproben.
Da tritt auch die Mutter aus dem Erdgeschoß, und-der alte Fuchs
erinnert sich, daß es Zeit ist, die Familienscene zu beenden. Erwacht
sich auf; allein er eilt mit Weile. Gelassen schlendert er, den Schweif
nachlässig schleppe.nd, durch Busch und Kraut, immer querfeldein. Denn
wie das ächte Genie verschmäht in fremde Fußtapfen zu treten, so läßt
auch er die Heerstraße, und mag sich gern in Riedgras, Korn und
Hag verlieren, wo bunte Blumen blühen und muntere Vögel singen.
Die rosigste Laune leuchtet aus seinem Angesicht; Gedanken, Bilder
und Visionen umschwirren ihn wie ein lustiges Schneegestöber.. — Unter-
dessen ist er mitten im Waldbann. Er schleicht langsamer, leiser, vor-
sichtiger. Der Abend haucht kühl aus Halm und Blatt. Die Bäume
heben ihre Wipfel regungslos in die Stille; nur die Vogelkehlen sind
noch laut. Die Drossel lockt mit hellem Ton, die Meise schlüpft, ihr
witzigspitzes Liedchen schrillend, von Busch zu Busch, der Waldschreiner
Specht hackt und hämmert am Eichenstumpf, dazwischen kreischt mit
einem wunderlich äffenden Schnörkel der Häher, und ist dann auf ein-
mal Alles still und erschreckt über des Possenreißers Glossen, so stöhnt